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Expats in Asien: Hoher Bedarf, aber viele Hindernisse

Unternehmen, die Expatriates nach Asien entsenden, müssen mit einigen Stolpersteinen rechnen – sozialversicherungsrechtlicher und zwischen- menschlicher Art. Worauf zu achten ist.

Asien ist für deutsche Unternehmen nach Europa die zweitwichtigste Entsenderegion, danach folgen Nordamerika oder der Mittlere Osten. Dies hat kürzlich die Unternehmensberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in einer Studie herausgefunden. In dieser gaben mehr als 80 Prozent aller befragten Firmen an, sie würden Mitarbeiter in asiatische Länder entsenden. Für diese hohe Zahl gibt es mehrere Gründe. Einen davon kennt Norman Sterz, Geschäftsführer von Departer: „In den asiatischen Staaten gibt es einen ungebremst hohen Bedarf an technischen Produkten aus Deutschland. Um beispielsweise Maschinen aus der Bundesrepublik vor Ort aufzubauen, werden wiederum entsprechende Fachleute gesucht.“ Tatsächlich werde die Vergabe von Arbeitsplätzen an deutsche Spezialisten sogar oft von den Regierungen unterstützt. Unternehmen suchen vor allem Fachkräfte aus den Bereichen Ingenieurwesen, Energie, Umweltschutz, Automobilien, Verkehr und Landwirtschaft sowie Medizin, weiß Sterz. Vor allem China fragt seit Jahrzehnten nach deutschen Fach- und Führungskräften; ebenfalls eine hohe Nachfrage verzeichnen Malaysia und in letzter Zeit verstärkt Japan und Korea.

Hinzu kommt, dass die Deutschen bei den Asiaten einen sehr guten Ruf genießen. „Sie gelten als präzise und fleißig. China beispielsweise rechnet den Deutschen hoch an, dass sie sich für ihre Greueltaten nach dem Zweiten Weltkrieg entschuldigt haben“, erläutert Dirk Mussenbrock, Geschäftsführer von Mussenbrock und Wang GmbH, ein Unternehmen, das kleine und mittelständische Unternehmen beim Markteintritt in China berät. Und Mussenbrock kennt einen weiteren Grund, warum viele deutsche Unternehmen Mitarbeiter nach Asien entsenden. So verfüge die Region in weiten Teilen über eine stetig wachsende Binnenkraft sowie über eine sich entwickelnde und optimierte Infrastruktur. Außerdem gebe es oftmals klarere rechtliche und administrative Rahmenbedingungen.

China wichtigstes Entsendeland

Das Riesenreich China ist in Sachen deutsche Expatriates unangefochtener Spitzenreiter. Nach Angaben des auf Entsendeberatung spezialisierten Bund der Auslands-Erwerbstätigen (BDAE) schickte 2010 jedes zweite deutsche Unternehmen, das in Asien aktiv ist, seine Arbeitnehmer nach China; 15 Prozent sind in Thailand tätig und zwölf Prozent in Singapur. Insgesamt erhöhte sich die Zahl der Entsendungen im Raum Asien in den vergangenen Jahren sichtlich. Was jedoch zumindest nach Erfahrungen des BDAE gleich bleibt, sind die typischen Fehler, die Unternehmen beim Entsendeprozess machen.

Doch der Reihe nach: Zunächst einmal müssen Personalverantwortliche beurteilen, ob bei der Frage nach der sozialen Sicherheit die Rechtsvorschriften Deutschlands oder des jeweiligen Beschäftigungsstaates gelten. Dies hängt wiederum davon ab, ob eine Regelung des zwischenstaatlichen Rechts anzuwenden ist. Bei vielen asiatischen Ländern – beispielsweise China, Japan, Korea – ist zwischenstaatliches Recht die Grundlage, da Deutschland mit ihnen ein Sozialversicherungsabkommen (SVA) abgeschlossen hat. Zweck des SVA ist es, Doppelversicherungen zu vermeiden und Leistungsansprüche an die deutschen Sozialversicherung aufrechtzuhalten. Denn eigentlich gilt Folgendes: Für Expatriates finden grundsätzlich die Rechtsvorschriften desjenigen Staates Anwendung, in dem er seine Arbeit tatsächlich ausübt – auch dann, wenn sein Arbeitgeber seinen Betriebssitz in einem anderen Staat hat. Etwas anders verhält es sich jedoch, wenn ein SVA besteht. Für den Fall, dass dieses sämtliche Sozialversicherungszweige regelt, kann der Mitarbeiter für die im Abkommen vorgesehene Dauer im deutschen Sozialversicherungssystem verbleiben – also Renten-, Arbeitslosenbeiträge etc. an die deutschen Träger abführen.

Sozialversicherungsabkommen: Wer sich nicht dran hält, riskiert Strafe

Aber Achtung: Jedes Abkommen in Asien regelt unterschiedliche Bereiche mit variierender Dauer. Ein Beispiel: Das SVA mit China ist lediglich auf 48 Kalendermonate beschränkt, das mit Japan umfasst ganze 60 Monate, Korea wiederum sieht nur 24 Monate vor. Das bedeutet: Ein Unternehmen, dass seine Mitarbeiter länger als für die vorgesehen Zeit in China beschäftigt, muss bei Überschreiten der Frist Renten- und Arbeitslosenbeiträge an das chinesische System abführen. Wer sich nicht daran hält, riskiert einerseits Strafgelder und andererseits den Versicherungsschutz seiner Expats. Damit verletzt es die ihm gebotene Fürsorgepflicht und steht bei Schadensfällen in der Haftung. Viele Unternehmen kennen zudem Artikel 8 des SVA mit China nicht und tappen oft in eine Falle. So besagt der entsprechende Artikel, dass bei Konzerneinsätzen (also bei einer Tätigkeit des Expats in einer Beteiligungsgesellschaft ihres in Deutschland ansässigen Arbeitgebers) grundsätzlich keine Entsendung vorliegt. Wenn der Mitarbeiter weiterhin den Rechtsvorschriften seines Heimatlandes unterliegen soll, so muss sein Unternehmen eine Ausnahmevereinbarung anstreben (siehe Infokasten).

Entsendung ist nicht gleich Entsendung

Ein weiterer Stolperstein: Sowohl das Abkommen als auch die Ausnahmevereinbarung mit China regeln nur die Bereiche der Renten- und Arbeitslosenversicherung, nicht aber die übrigen Versicherungszweige. Falls etwa auch für die Kranken- und Unfallversicherung weiterhin die deutschen Rechtsvorschriften gelten sollen, muss eine „echte“ Entsendung mit „Ausstrahlung“ vorliegen. Der Begriff Ausstrahlung bezieht sich dabei auf das Weitergelten des deutschen Sozialversicherungsrechts, das gewissermaßen in das Aufenthaltsland „ausstrahlt“. Damit dies funktioniert, müssen strenge Regeln beachtet werden, die Paragraf 4 des SGB IV definiert (siehe Infokasten). In diesem Zusammenhang gibt es weitere Fallstricke. „Die Praxis zeigt, dass etliche Unternehmen die Entsendekriterien missdeuten oder nicht verstehen. So belasten diese ihre im Ausland tätigen Mitarbeiter absichtlich auf der inländischen Gehaltsliste, um dadurch die Ausstrahlung der Sozialversicherungspflicht zu erreichen“, sagt Andreas Opitz, Geschäftsführer des BDAE. Entscheidend sei jedoch, ob dem inländischen Unternehmen, das die Auslandstätigkeit des Mitarbeiters veranlasst hat, dessen Tätigkeit auch tatsächlich wirtschaftlich zuzurechnen ist. Macht die Niederlassung im Ausland die Kosten steuerlich geltend, handelt es sich nicht mehr um eine „echte“ Entsendung.

Noch ein wichtiger Hinweis: Mit vielen typischen Entsendeländern in Asien existiert kein Sozialversicherungsabkommen. Dazu gehören auch Hongkong, Taiwan und Macau. Unternehmen können für die Weitergeltung der deutschen Sozialversicherungsvorschriften für ihre Expats nur dann sorgen, wenn sie diese im Rahmen einer Entsendung gemäß Paragraf 4 SGB IV ins Ausland delegieren. Andernfalls müssen sie die Mitarbeiter vor Ort versichern. Und das ist in der Regel nicht wünschenswert für deutsche Expats. Der Grund: Das Leistungsniveau vieler asiatischer Sozialversicherungssysteme ist deutlich niedriger als hierzulande. Um Expats annähernd gleichen Schutz wie in ihrer Heimat zu gewährleisten, müssen Personalverantwortliche für diese zusätzlich private Auslandsversicherungen abschließen.

Interkulturelles Training dringend nötig

Damit eine Entsendung in ein asiatisches Land gelingt, sollte ein Unternehmen neben den sozialversicherungsrechtlichen Aspekten auch interkulturelle Themen im Blick haben. Insbesondere auf der zwischenmenschlichen Ebene können Geschäftsbeziehungen schnell zerbrechen. „Es empfiehlt sich in jedem Fall ein interkulturelles Training, um zumindest für grundlegende Eigenschaften der Menschen im Aufenthaltsland zu sensibilisieren“, sagt Departer-Geschäftsführer Sterz. Chinesen beispielsweise sind Meister der indirekten Kommunikation. China-Experte Mussenbrock rät dazu, niemals allzu direkte Fragen zu stellen, geschweige denn Mitarbeiter durch Kritik bloßzustellen, denn das bedeute für Chinesen den totalen Gesichtsverlust. Und dies ist unverzeihlich. Japaner wiederum legen noch mehr Wert auf Pünktlichkeit als die Deutschen. „Wer zu spät zu einem geschäftlichen Treffen kommt, kann eigentlich gleich wieder auf dem Absatz kehrt machen“, sagt Rita Menge, interkulturelle Trainerin und Inhaberin von Hikaru Japan Service. Zudem sei in Japan viel Geduld notwendig, um geschäftlich erfolgreich zu sein. Wer in Verhandlungen Nägel mit Köpfen machen will, beißt auf Granit. Japan ist laut Menges Erfahrung eine Konsensgesellschaft, in der selten individuelle Entscheidungen getroffen werden. Wenn keine Zeit mehr für ein interkulturelles Training bleibt, sollten Personalabteilungen ihren Mitarbeitern zumindest entsprechende Lektüre auf den Weg geben. Für China empfiehlt sich beispielsweise das Buch „Ost trifft West“ von Yang Liu, für Japan der „Praxisführer Japan. Fettnäpfchen gekonnt vermeiden“ von Rita Menge.

Unternehmen, die ihre Mitarbeiter rechtlich sauber entsenden und diese zudem auf die jeweiligen kulturellen Gepflogenheiten des Gastlandes vorbereiten, erhöhen auf diese Weise ihre Chance auf Erfolg in der zweitwichtigsten Entsenderegion deutlich. Und das ist notwendig, denn die ehemaligen Schwellenländer oder Tigerstaaten haben schon längst zum großen Sprung angesetzt.

 

Ausnahmevereinbarung

In bestimmten Fällen, in denen die Voraussetzungen der zwischenstaatlichen Abkommen nicht erfüllt sind, besteht die Möglichkeit einer Ausnahmevereinbarung. Eine solche Vereinbarung ist beispielsweise möglich, wenn die in den Abkommen vorgesehenen Fristen überschritten werden oder wenn – wie im Abkommen mit China der Fall – andere Vorschriften gelten. Der Antrag muss rechtzeitig vor Aufnahme der Beschäftigung gestellt werden, Verlängerungsanträge rechtzeitig vor Ablauf des vorausgegangenen Freistellungszeitraumes. Ansprechpartner auf deutscher Seite für den Antrag, der gemeinsam von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gestellt wird, ist grundsätzlich die deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA).

 

Entsendung nach Paragraph 4 SGB IV

1.       Der Arbeitnehmer muss sich auf Weisung seines Arbeitgebers ins Ausland begeben, um dort für ihn eine Tätigkeit zu erbringen.

2.       Das inländische Beschäftigungsverhältnis muss fortbestehen. (Indikatoren: Verantwortung für Expat, bestehender Arbeitsvertrag, Gehaltsbelastung)

3.       Es sind die Entsendefristen des Gastlandes anzuwenden. Eine Verlängerung der Entsendung ist prinzipiell nicht möglich.

Wichtig: Mitarbeiter von Tochtergesellschaften in China erfüllen die Kriterien von Vornherein nicht.

 

Die Autorin:

Elisabeth Altmann leitet die Auslandsberatungsstelle des auf Entsendeberatung und Auslandsversicherungen spezialisierten Bund der Auslands-Erwerbstätigen (BDAE).

Foto: fotolia © Texelart