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Auslandskrankenschutz für Expats: Die Tücken der Versicherer

Spezielle Auslandspolicen für entsandte Mitarbeiter gibt es inzwischen mehr als genug, doch wer sich an einen Versicherer bindet, sollte vorher genau prüfen, was dieser verspricht – oder auch nicht.

Konstantin T. traute seinen Augen nicht, als er das Schreiben seiner Versicherung öffnete und freundlich darauf hingewiesen wurde, künftig monatlich knapp 1.000 Euro Versicherungsbeitrag zu überweisen. Im Zuge einer „Prämienanpassung“ habe sich der Auslandskrankenversicherer gezwungen gesehen, seine monatlich Rate mal eben um 100 Prozent (also von monatlich 500 Euro auf 1.000 Euro) erhöhen zu müssen. Begründung: Die Gesundheitskosten in im asiatischen Raum würden drastisch zu Buche schlagen.

Der 39-jährige Konstantin T. lebte zu diesem Zeitpunkt seit zwei Jahren als Expat in Shanghai, wo er für einen deutschen Verlag eines Asien-Wirtschaftsmagazins tätig ist und bislang nicht ein einziges Mal erkrankte. Aus Versicherersicht hatte er also noch keinen einzigen Schaden verursacht. Er konnte es kaum fassen, dass er und sein Arbeitgeber zusammen fortan gut 12.000 Euro Versicherungsprämien im Jahr abführen sollten. Der Verlag hatte sämtliche Auslandskorrespondenten weltweit bei dem Anbieter versichert, die immense Beitragserhöhung betraf jedoch ausschließlich die Journalisten im Raum Asien, wie eine Umfrage unter T.s Kollegen ergab. Warum also diese exorbitante Erhöhung?

„Offenbar hat einer der Expats einen so genannten Großschaden verursacht, beispielsweise durch eine schwere Erkrankung oder einen schlimmen Unfall. Die Behandlung eines Schädel-Hirntraumas kann in China schnell mal 120.000 Euro kosten – exklusive der noch folgenden Krankenhausaufenthaltstage. In der Konsequenz muss die Schadenquote die Beitragseinnahmen im Auslandskrankenversicherungstarif deutlich überstiegen haben, so dass der Anbieter Verluste gemacht hat, die er nun durch eine Beitragssteigerung ausgleichen will“, erläutert Claus-Helge Groß, Versicherungsspezialist bei der BDAE GRUPPE und Asienexperte, den Fall.

Ein weiteres Beispiel zeigt, wie schnell und drastisch die Versicherungsprämien steigen können, wenn die Risikogruppe zu klein ist: Im Jahr 2013 versicherte ein deutsches Maschinenbauunternehmen seine sieben Expats bei einer  Versicherungen. Im Laufe des Jahres wurde eine Auslandsentsandte schwanger und ein Expat brach sich das Bein. Die Folge: Im Jahr 2014 erhöhte die Versicherer die Beiträge für die Police um satte 50 Prozent – für jeden einzelnen Kunden.

Expats erkranken seltener als lokale Mitarbeiter

Solche Situationen seien keine Seltenheit, denn oftmals kalkulieren Auslandsversicherer sehr knapp, um die lukrativen Expats internationaler Unternehmen der DACH-Regionen bei sich zu versichern. Für gewöhnlich gelten Auslandsentsandte als Klientel mit einem äußerst geringen Risiko, zu erkranken. „Firmen, die Mitarbeiter für einen längeren Aufenthalt ins Ausland schicken, wählen meistens junges und leistungsstarkes Personal aus, das auch unter erschwerten Lebensbedingungen fernab der Heimat Projekte in der Regel bravourös meistert“, so BDAE-Mann Groß weiter. Um sich den Auftrag zu sichern, werben die Anbieter mit vergleichsweise günstigen Versicherungsprämien, die sie speziell für Expats des entsendenden Unternehmens maßschneidern. Das Problem: Eine relativ kleine Gruppe von Individuen muss ein unter Umständen zu großes Risiko schultern und im Falle eines außergewöhnlich hohen Versicherungsschadens die Kosten dafür tragen. „Im schlimmsten Fall kann es passieren, dass der Versicherer den Tarif schließt und die Mitarbeiter innerhalb kürzester Zeit ohne Versicherungsschutz dastehen“, so Groß weiter. So sei es vor wenigen Jahren den Expats eines österreichischen Unternehmens in den USA ergangen.

Helge_Gross_WebWie kann eine entsendende Firma ein vergleichbares Szenario verhindern? Regel Nummer Eins: Wählen Sie einen Versicherer, der Firmen „poolt“, also Auslandskrankenversicherungstarife anbietet, die Schutz für mehrere tausend Expats bietet, weil alle Firmenkunden wie in einem Pool zusammengefasst werden. Zwar handelt es sich dann nicht um einen individuell auf die Firma zugeschnittenen Tarif, aber einzelne Schäden weniger Versicherter werden von einer großen Tarifgemeinschaft getragen und die Beiträge bleiben stabil. Personaler, die es genau wissen möchten, sollten bei einem Beratungsgespräch sowohl nach der Schadenhistorie als auch nach der Beitragsentwicklung eines Tarifes fragen. Auch die Anzahl der versicherten Expats kann ein wichtiger Indikator sein.

(Foto: Claus-Helge Groß, BDAE GRUPPE)

Bedingungswerk der Versicherer genau studieren

Die hohen Kosten einer Auslandskrankenversicherung sind jedoch nur eines von vielen Risiken, die sich im Hinblick auf die Gesundheitsabsicherung von Expats ergeben. Regel Nummer Zwei in Sachen Auslandskrankenversicherung lautet deshalb: Studieren Sie die Versicherungsbedingungen! Der Markt kennt zahlreiche Ausnahmen und Ausschlüsse vom Versicherungsschutz. „Wir erleben es immer wieder, dass Unternehmen den Versicherer wechseln müssen, weil sie im Krankheitsfall eines Mitarbeiters feststellen, dass der Vertragspartner aufgrund von so genannten Vorerkrankungen oder bestehenden Behandlungsbedarf nicht zahlt – und zwar mit der Begründung, dass diese per se im Tarif ausgeschlossen seien“, berichtet Versicherungsexperte Claus-Helge Groß. Der Ausschluss von chronischen Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes ermöglicht zwar günstige Versicherungsprämien, kommt dem entsendenden Unternehmen jedoch teuer zu stehen. Denn dieses muss für die Krankheitskosten aufkommen, die der Versicherer nicht zahlt.

Eine weitere Kostenfalle, in die Unternehmen vor allem heutzutage schnell tappen können, ist das passive Kriegsrisiko –  angesichts der zahlreichen Krisenregionen weltweit mehr denn je ein aktuelles Thema. Selbst als relativ stabil geltende Länder können schnell zu einem Gefahrenherd werden – so geschah es etwa letztes Jahr, als Thailands Regierung das Kriegsrecht ausrief. Was bedeutet das für den Versicherungsschutz von Expats? „Es ist üblich, dass die Assekuranz grundsätzlich nicht für Gesundheitsschäden aufkommt, wenn Versicherte aktiv an einem Kriegsgeschehen oder beispielsweise an einer gewalttätigen Demonstration teilgenommen haben. Dabei handelt es sich um Risiken, die nicht kalkulierbar sind. Manche Versicherer zahlen aber auch dann nicht, wenn lediglich ein passives Risiko besteht“, sagt BDAE-Fachmann Groß. Es kann allerdings schnell passieren, dass Expats beispielsweise auf dem Weg zu einem Geschäftstermin unfreiwillig und unwissentlich in Ausschreitungen geraten und in der Folge verletzt werden. Regel Nummer Drei betrifft deshalb die Leistungspflicht des Versicherers auch bei passivem Kriegsrisiko.

Vorsicht bei lokalem Versicherer

Um Kosten zu sparen, wählen manche entsendende Unternehmen einen lokalen Versicherer im Aufenthaltsland. Dies kann jedoch zwei entscheidende Nachteile mit sich bringen. Insbesondere Anbieter nach dem angelsächsischen Modell limitieren ihre Versicherungssumme für Schäden („gedeckelte“ Versicherungen). Indem sie beispielsweise Leistungen auf ein Maximum von 100.000 Euro begrenzen, halten sie die Beiträge niedrig. Übersteigt ein Versicherungsschaden allerdings diese Summe (zum Beispiel Operation infolge eines Herzinfarkts in den USA mit 150.000 Euro), muss das Unternehmen die Differenz bezahlen. Der zweite Nachteil beim angelsächsischen Modell: Der Versicherungsschutz muss jedes Jahr erneuert werden. Das bedeutet, dass stets ein neuer Antrag für den Expat gestellt werden muss und die Versicherung prüft, ob der Kunde weiterhin „lukrativ“ ist oder nicht. Wer in der Zwischenzeit ein paar Mal krank gewesen ist, könnte unter Umständen nicht mehr so attraktiv sein und als Kunde abgelehnt werden. Regel Nummer Vier lautet somit: Achten Sie auf Höchstgrenzen bei den Versicherungssummen.

Chefredakteur Konstantin T. weigerte sich übrigens, einen derart hohen Versicherungsbeitrag zu zahlen und erwirkte bei der Personalabteilung, dass diese per Ausschreibung einen neuen Auslandskrankenversicherer an Bord holte, der den Anforderungen des Unternehmens sowohl finanziell als auch im Hinblick auf das Leistungsspektrum gerecht wird.

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Checkliste Auslandskrankenversicherung für Expats – Wichtige zu klärende Fragen
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  1. Werden bestimmte Berufsgruppen vom Versicherungsschutz ausgenommen?
  2. Sind die Versicherungsbeiträge an das Alter gekoppelt (steigt der Beitrag mit zunehmendem Alter)?
  3. Gibt es eine Leistungsgrenze, bis zu welcher der Versicherer Schäden zahlt?
  4. Ist der Geltungsbereich der Versicherung weltweit oder auf bestimmte Länder begrenzt?
  5. Kann die Police auch noch abgeschlossen werden, wenn sich der Expat bereits im Ausland aufhält?
  6. Kann der Versicherungsschutz bei Bedarf problemlos verlängert werden?
  7. Sind Heimataufenthalte mitversichert?
  8. Leistet die Versicherung auch in Kriegs- und Krisengebieten?
  9. Wie lange darf sich der Expat maximal im Ausland aufhalten (gibt es eine Befristung)?
  10. Leistet die Versicherung auch in Ländern mit Seuchengefahr (z.B. aktuell bei Ebola)?
  11. Sind Vorerkrankungen und bestehender Behandlungsbedarf mitversichert?
  12. Zahlt der Anbieter auch bei Schwangerschaft und Entbindung?
  13. Gibt es für bestimmte Eingriffe (z.B. Zahnersatz) eine Wartezeit?
  14. Sind Assistance-Leistungen in den Versicherungsschutz integriert?
  15. Wie lange können Versicherte Arzt- und Arzneimittelrechnungen einreichen?
  16. Hat der Versicherer eine eigene Abteilung für die Schadenregulierung, so dass Expats ihre Belege direkt dort einreichen können oder wird die Kostenerstattung über die Personalabteilung geregelt (Stichwort Datenschutz)?

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