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Depressionen bei Auslandsentsendungen

Es ist wie ein Teufelskreis. Ich muss eigentlich jeden Tag heulen, habe hier im Grunde keine richtigen Bekannten… mein Partner ist selber stark auf der Arbeit überlastet, da sein Job sehr stressig ist. Dann kommt er heim und muss sich noch meine Sorgen, fast täglich, anhören. Ich fühle mich dann noch schlechter und schuldiger. Die ganze Zeit denke ich nur an meine alte Heimat, wie schön es dort war und dann geht es mir hier noch beschissener. (Originalzitat aus Onlineforum)

Oft stoßen solche oder ähnliche Reaktionen während einer Auslandsentsendung im heimischen Umkreis auf Unverständnis oder Schuldzuweisungen. Man habe sich die Situation ja selbst ausgesucht, und solle sich mal nicht so haben, schließlich lebe man in einer privilegierten Situation und müsse nicht mehr arbeiten gehen.

Die oft langfristigen Veränderungen, die der Gang ins Ausland vor allem für Expatpartner mit sich bringt, werden dabei oft übersehen oder kaum angesprochen. Mitausreisende Partner entgegnen diesen Veränderungen im Beruf- und Sozialleben außerhalb ihres Komfortbereiches ohne soziales Netzwerk und Unterstützung, während gleichzeitig die Beziehung zum Partner durch Mehrbelastung, logistische Herausforderungen und soziale Isolation auf die Probe gestellt wird. Mentale Überlastung ist häufig die Folge, die sich in psychologischen Folgeerscheinungen wie Depression, Burn-Out oder Substanzabhängigkeiten niederschlagen können.

Anpassungstörungen und Depressionen als Folge der Veränderungen

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Eine Anpassungsstörung ist eine kurzlebige Depression, die ein bis drei Monate nach einschneidenden Lebensveränderungen auftritt, wie Jobverlust oder Auslandsumzug, und bis zu sechs Monaten anhält. Die Symptome sind oft ähnlich oder gleichen einer klinischen Depression (zum Beispiel Hoffnungslosigkeit, Schlafprobleme, Angst, Konzentrationsbeschwerden, Rückzug, Rastlosigkeit), aber treten nur dann auf, wenn eine Person sich (noch) nicht an die neue Lebenssituation anpassen konnte.

Recherchen in den USA haben gezeigt, dass Auslandsentsandte generell ein höheres Risiko für mentale Gesundheitsprobleme aufweisen als daheimgebliebene Mitarbeiter. In einer U.S.-amerikanischen Vergleichsstudie eines multinationalen, börsengelisteten Unternehmen war die Hälfte aller befragten Expatriates hoch gefärdet, im Laufe des Auslandsaufenthaltes eine psychologisch internalisierende Störung (wie beispielsweise Depression oder Angststörungen) zu entwickeln. Ebenso griffen die entsendeten Mitarbeiter im Ausland häufiger und in höheren Maßen zu Substanzen wie Alkohol als vergleichbare Mitarbeiter im Inland (Truman, Sharar & Pompe, 2011).

Doch bei Auslandsentsendungen sind nicht nur die Expats selbst belastet, sondern vorallem die mitausreisenden Partner. Im Vergleich zum Expatriate selbst äußerten sich 72 Prozent aller befragten Expatpartner/innen negativ zu ihrem Gesundheitszustand, dreimal so häufig wie die Expats selbst (27 Prozent, Studie der ICUnet.AG).

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Berufliche und Soziale Unterstützungssysteme zur Hilfe

Bei der Frage nach Abhilfe in solchen Situationen werden zwei Systeme in zahllosen Untersuchungen und Befragungen hervorgehoben: Berufliche Unterstützung für mitausreisenden Partner/innen, um Problemen des Identitätsverlustes bei Doppelverdienerhaushalten vorzubeugen und soziale Unterstützung, um den Beziehungsstress abzubauen. Diese zwei Systeme haben den größten Effekt auf die mentale Gesundheit und die psychologische Anpassung an die neue Umgebung. Leider wurde auch festgestellt, dass genau diese beiden Maßnahmen für Expatpartner/innen von Firmen weniger häufig bereitgestellt werden als praktische Unterstützungsmaßnahmen (McNulty, 2012).

Man kann argumentieren, dass Anpassungsstörungen im Grunde ausgeprägte Wahrnehmungen eines Kulturschocks sind. Nicht jeder Expat und mitausreisende Partner ist davon betroffen, da Probleme mit Hilfe unterschiedlicher Ressourcen und psychologischen Mechanismen bewältigt werden können. Das Hauptaugenmerk für Expatfamilien und Unternehmen sollte darin liegen, dass solche mentalen Herausforderungen nicht in eine klinische Depression übergehen. Um dem vorzubeugen empfiehlt sich:

–      regelmässige Bewegung

–      eine etablierte Schlafroutine

–      kontinuierliche Kommunikation in der Partnerschaft

–      neue Bezugspunkte aufzubauen (sowohl soziale als auch berufliche)

–      eine ausgeglichene Ernährung ohne exzessiven Substanzkonsum

–      der Aufbau eines sozialen Netzwerkes, oder das Finden einer formellen Gruppe zur Unterstützung

–      das Aufsuchen eines Therapeuten (Therapeuten International)

Damit die Expatriates und Partner/innen ihren Teil zum Gelingen einer Auslandsentsendung beitragen können, müssen Unternehmen langfristig in eine bessere Unterstützung investieren. Dies fängt mit der gezielten Auswahl geeigneter, kompetenter Mitarbeiter und deren motivierten mitausreisenden Partner/innen an, geht über Vorbereitungsmaßnahmen mit nachhaltigen Unterstützungssystemen vor Ort im Ausland weiter, und hört bei einer angemessenen Eingliederung ins Heimatland nach erfolgreiche Entsendung auf.

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Über die Autorin:

Susann_SalzbrennerSusan Salzbrenner ist diplomierte klinische und Organisationspsychologin und zertifizierte interkulturelle Trainerin.

Durch ihre langjährigen Auslandsaufenthalte in Dänemark, Australien, USA, China und Frankreich hat sie die psychologischen Herausforderungen, denen mitausreisende Partner und Partnerinnen während eines Auslandsaufenthaltes häufig gegenüber stehen, selbst hautnah erlebt.

Treten sie über LinkedIn oder Xing zu Ihr in Kontakt.
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Titelbild: © kittitee550 – Fotolia.com